Wie die EU das Verbrenner-Aus kippt und Europa ins industrielle Abseits fährt
Es ist eine Kehrtwende mit Ansage, die das industrielle Fundament Europas erschüttern dürfte. Was als historischer Meilenstein für den Klimaschutz und als Planungssicherheit für die Wirtschaft gedacht war, zerbröselt im Dezember 2025 unter dem Druck nationaler Egoismen. Die EU-Kommission knickt ein: Das strikte Verbrenner-Aus für 2035 wird faktisch beerdigt. Eine Allianz der Blockierer hat sich durchgesetzt – allen voran Deutschland.
Die Fakten: Das Ende der Klarheit
Die Europäische Union hat in dieser Woche das wohl wichtigste Signal für die industrielle Transformation dieses Jahrzehnts aufgeweicht. Der ursprüngliche Beschluss, ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen (0 Gramm CO₂) zuzulassen, wurde durchlöchert.
Statt der verpflichtenden 100-Prozent-Reduktion der Flottengrenzwerte deutet nun alles auf eine Absenkung des Ziels auf 90 Prozent oder umfassende Ausnahmeregelungen hin. Die zentralen Punkte der Aufweichung:
- Die „Technologieoffenheit“-Falle: Unter dem Deckmantel der Technologieoffenheit wird der Weg nicht nur für Nischenanwendungen (wie E-Fuels in Sportwagen), sondern potenziell auch für Plug-in-Hybride und Verbrenner im Massenmarkt verlängert.
- E-Fuels als Hintertür: Was 2023 als deutscher Sonderwunsch für synthetische Kraftstoffe begann, wurde nun zum Hebel, um den Verbrennungsmotor generell am Leben zu erhalten – wohlwissend, dass E-Fuels auf absehbare Zeit zu teuer und zu rar für den PKW-Massenmarkt sind.
- Das Review 2026 vorgezogen: Die eigentlich für 2026 geplante Überprüfung der Regelung wurde politisch vorgezogen und instrumentalisiert, um die Grenzwerte noch vor Inkrafttreten zu schleifen.
Die Folgen für die Elektromobilität
Für die Elektromobilität ist dieses Signal verheerend. Experten und Teile der Automobilindustrie warnen vor einem „Investitions-Schock“:
- Verlorene Planungssicherheit: Hersteller, die Milliarden in die Umstellung auf „Electric Only“ investiert haben (wie Volvo oder Teile des VW-Konzerns), werden bestraft. Wer hingegen zögerte, wird nun belohnt.
- Doppelte Kosten: Die europäischen Autobauer werden gezwungen, zwei parallele Infrastrukturen aufrechtzuerhalten: Die Weiterentwicklung alter Verbrennertechnik und den mühsamen Hochlauf der E-Mobilität. Das bindet Kapital, das für Software und Batterieforschung fehlt.
- Der „Osborne-Effekt“: Verbraucher werden verunsichert. Die Botschaft „Der Verbrenner bleibt“ führt dazu, dass Kaufentscheidungen für E-Autos aufgeschoben werden. Der Markt stagniert, während die Ladeinfrastruktur nun Gefahr läuft, langsamer ausgebaut zu werden, da der Druck fehlt.
Wer den Fortschritt boykottiert
Ein Land tat sich bei dieser Demontage besonders negativ hervor: Deutschland.
Zwar war auch Italien unter der Meloni-Regierung ein lauter Kritiker, doch das politische Schwergewicht, das den Wandel aktiv torpedierte, war die Bundesrepublik. Getrieben von innenpolitischen Debatten (insbesondere durch FDP und Teile der Union) nutzte Deutschland sein Gewicht in Brüssel nicht als Motor, sondern als Bremse. Die deutsche „German Vote“ – das Zaudern und späte Veto – wurde zur Blaupause für den jetzigen Rückzug. Deutschland hat den Schutz seiner alten Schlüsselindustrie (Verbrennungsmotoren) über die Notwendigkeit gestellt, neue Märkte (Batterien, Software) aggressiv zu erobern.
KOMMENTAR: Ein industriepolitisches Himmelfahrtskommando
Es ist ein Trauerspiel, das in den Geschichtsbüchern als der Moment markiert werden könnte, in dem Europa den Anschluss an die Weltspitze endgültig verspielte.
Die Aufweichung des Verbrenner-Aus ist kein Sieg der Vernunft, sondern ein Kniefall vor der Angst. Wer glaubt, mit dieser Entscheidung der deutschen Autoindustrie einen Gefallen getan zu haben, irrt gewaltig. Es ist ein Bärendienst. Während wir in Europa nun wieder Jahre damit verschwenden werden, über synthetische Kraftstoffe zu philosophieren, die es an keiner Tankstelle gibt, schafft China Fakten.
In China diskutiert niemand über „Technologieoffenheit“ beim alten Eisen. Dort wird die Zukunft gebaut. BYD, Nio und Co. lachen sich ins Fäustchen. Sie sehen ein Europa, das sich freiwillig an eine sterbende Technologie kettet. Die Entscheidung aus Brüssel signalisiert der Welt: Wir Europäer glauben nicht an unsere eigene Zukunft. Wir wollen lieber noch ein paar Jahre länger den Status Quo verwalten, statt den radikalen Wandel zu gestalten.
Besonders beschämend ist die Rolle Deutschlands. Das Land der Ingenieure ist zum Land der Bedenkenträger verkommen. Anstatt die Transformation mit „German Engineering“ anzuführen, klammert man sich wie ein trotziges Kind an den Auspuff. Das ist keine Wirtschaftspolitik, das ist Nostalgie-Pflege auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit.
Wenn in zehn Jahren chinesische Elektroautos unsere Straßen dominieren, weil sie billiger, besser und verfügbarer sind, während VW und Co. auf ihren „technologieoffenen“ Verbrennern sitzenbleiben, die niemand mehr kaufen will – dann sollen wir uns erinnern: Es war dieser Moment im Dezember 2025, in dem wir beschlossen haben, den Fortschritt zu boykottieren.
Europa hat heute nicht den Verbrenner gerettet. Es hat seine industrielle Zukunft sabotiert.
© Text enews.at 2025
