Von der Bühne in die Ferne: Volkswagen verspricht seit Jahren einen bezahlbaren Stromer für unter 25.000 Euro. Doch kurz vor dem geplanten Marktstart des ID. Polo (ehemals ID. 2all) verdichten sich die Anzeichen, dass der „Volks-Stromer“ zum Start alles andere als ein Schnäppchen wird. Ein Kommentar zur Salami-Taktik aus Wolfsburg.
Es war der große Befreiungsschlag: Mit der Studie ID. 2all präsentierte VW-Chef Thomas Schäfer vor zwei Jahren die Vision eines Elektroautos, das „wirklich für alle“ gedacht sei. Kompakt wie ein Polo, geräumig wie ein Golf und vor allem: unter 25.000 Euro teuer. Ein Preisanker, der nicht nur die Konkurrenz aus Frankreich, sondern vor allem die aufstrebenden Marken aus China in die Schranken weisen sollte.
Doch während die Bestellbücher für den ID. Polo im April 2026 öffnen sollen, zeichnet sich ein bekanntes Muster ab. Insiderberichte und Marktbeobachter warnen: Wer die Basisversion für 24.990 Euro sucht, könnte beim Händler zunächst vor leeren Regalen stehen.
Die Marge diktiert den Marktstart
Es ist ein offenes Geheimnis in der Automobilindustrie: Die ersten Modelle einer neuen Baureihe sind meist die teuren. Sie bringen die notwendige Marge, um die immensen Entwicklungskosten für die neue „MEB Entry“-Plattform einzuspielen. Für den ID. Polo bedeutet das konkret: Zum Start werden vermutlich die Varianten mit dem großen 56-kWh-Akku und Vollausstattung bevorzugt produziert.
Wer den kleinen 38-kWh-LFP-Akku (die Basis für den 25.000-Euro-Preis) möchte, wird sich wohl in Geduld üben müssen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Volkswagen ein Einstiegsmodell zwar ankündigt, die tatsächliche Auslieferung aber „aus produktionstechnischen Gründen“ weit nach hinten schiebt oder die Kontingente so klein hält, dass sie praktisch nicht existieren.
Der Druck wächst – von überall
Während VW taktiert, schläft die Konkurrenz nicht. Der Citroën e-C3 und der Renault 5 sind bereits auf den Straßen oder stehen unmittelbar davor – und zwar zu Preisen, die das VW-Versprechen schon heute einlösen. Sollte Volkswagen den günstigsten ID. Polo tatsächlich erst 2027 in nennenswerten Stückzahlen ausliefern, droht der Marke der Verlust einer ganzen Käufergeneration, die nicht länger auf ein „bezahlbares Wunder aus Wolfsburg“ warten will.
5 kritische Fragen an die Volkswagen AG
In einem journalistischen Interview müsste sich das Management nun folgenden Fragen stellen:
- Das „Lockvogel“-Argument: Warum wird das 25.000-Euro-Modell so prominent beworben, wenn es zum Marktstart 2026 für den Durchschnittskunden faktisch kaum bestellbar oder lieferbar sein wird?
- Technischer Kompromiss: Ist die Basisversion mit 38-kWh-Akku und geringerer Reichweite im Jahr 2026/27 überhaupt noch konkurrenzfähig, oder dient sie nur als „Preisschild-Alibi“ für die Marketingabteilung?
- Lerneffekt ID.3: Zum Start des ID.3 gab es massive Kritik an Materialqualität und Software. Wie stellt VW sicher, dass beim ID. Polo trotz des extremen Kostendrucks (um die 25.000 Euro zu halten) nicht erneut an der falschen Stelle gespart wird?
- Die China-Gefahr: Hersteller wie BYD drängen mit Modellen unter 20.000 Euro nach Europa. Kann es sich VW leisten, den Marktstart des Einstiegsmodells künstlich zu verzögern, um kurzfristig Margen zu retten?
- Vertrauensverlust: Wie will Volkswagen das Vertrauen der „Basis-Kunden“ zurückgewinnen, wenn das Versprechen der „Elektromobilität für alle“ erneut an langen Lieferzeiten für das günstigste Modell scheitert?
Fazit: Der ID. Polo ist für Volkswagen mehr als nur ein Auto – er ist der Test, ob die Marke ihren Namen „Volks“-wagen im Elektro-Zeitalter noch verdient. Ein Marktstart, bei dem nur die 35.000-Euro-Varianten verfügbar sind, wäre ein fatales Signal an die Pendler und Familien, die händeringend auf bezahlbare E-Autos warten.
© Text e-news.ch 2025 / © Bild Volkswagen 2025

