Wenn der ID. Polo erst 2026 oder gar 2027 in der versprochenen 25.000-Euro-Version lieferbar ist, entsteht eine gefährliche Angebotslücke. Unsere Analyse zeigt, dass diese Lücke nicht nur ein produktionstechnisches Problem ist, sondern Teil einer riskanten Konzernstrategie.
1. Die ID.3-Illusion: Warum die Kompaktklasse kein Ausweg ist
Viele Kunden hoffen, dass der ID.3 bei einer Verzögerung des ID. Polo preislich nach unten rutscht. Die Realität sieht jedoch anders aus:
- Preisschwankungen als Steuerungsinstrument: VW hat den ID.3 (Modell „Pure“) Ende 2024 zwar kurzzeitig unter die 30.000-Euro-Marke gedrückt, doch dies geschah primär, um die strengen EU-Flottenverbrauchsziele für 2025 zu erreichen und Strafzahlungen zu vermeiden. Aktuelle Daten zeigen, dass die Preise nach Erreichen dieser Ziele oft wieder stabilisiert oder durch „Paketlösungen“ (wie das Modell Pure Business) faktisch angehoben werden.
- Abstufung der Ausstattung: Um den ID.3 günstig zu halten, wird er oft „nackt“ angeboten. Wer moderne Assistenzsysteme oder eine Wärmepumpe möchte, landet schnell wieder bei über 35.000 Euro – ein Preis, den Polo-Umsteiger selten bereit sind zu zahlen.
- Produktions-Drosselung statt Preis-Kampf: Anstatt den ID.3 über den Preis in den Massenmarkt zu drücken, hat VW in Werken wie Zwickau die Produktion mehrfach pausiert. Das Ziel: Die Marge pro Fahrzeug zu schützen, anstatt den Markt mit günstigen Einheiten zu fluten.
2. Die „Verbrenner-Brücke“: Kalkuliertes Vertrösten?
Eine Vermutung, dass VW weiterhin auf den Verbrenner setzt, wird durch aktuelle Marktentwicklungen gestützt:
- Preiserhöhungen bei Klassikern: Während die Preise für E-Autos stagnieren, hat VW die Preise für Verbrenner-Modelle wie den klassischen Polo und Golf im August 2025 erneut angehoben (im Schnitt um 1,5 %). Dies deutet darauf hin, dass man das „alte“ Geschäft so lange wie möglich profitabel halten will.
- Politische Rückendeckung: Die aktuellen Debatten um eine Aufweichung des Verbrenner-Verbots in der EU (geplant für 2035) spielen VW in die Hände. Solange die elektrische Alternative (ID. Polo) nicht massentauglich verfügbar ist, bleibt der treue VW-Kunde beim TSI-Motor – und spült damit sichere Gewinne in die Kassen, die für die teure E-Transformation dringend benötigt werden.
| Modell | Marktstart (breite Verfügbarkeit) | Basispreis (ca.) |
| Citroën e-C3 | Bereits verfügbar / Anfang 2025 | ~23.300 € |
| Renault 5 E-Tech | 2025 | ~24.900 € |
| BYD Dolphin / Seagull | 2025 (Rollout in Europa) | < 20.000 € bis 25.000 € |
| VW ID. Polo (Basis) | Voraussichtlich erst 2027 | ~24.990 € |
Das Risiko: Ein Kunde, der Anfang 2026 ein bezahlbares E-Auto braucht, wird nicht ein oder zwei Jahre auf Volkswagen warten. Wer einmal zu Marken wie Renault oder BYD abwandert und dort gute Erfahrungen macht, ist für VW als Stammkunde der Zukunft verloren.
Fazit der Analyse
Volkswagen scheint darauf zu wetten, dass die Markentreue der Deutschen groß genug ist, um die Zeit bis 2027 zu überbrücken. Doch die Strategie, den ID.3 künstlich „oben“ zu halten und den ID. Polo als preisliches Lockvogelangebot erst spät zu liefern, ist ein Spiel mit dem Feuer. VW riskiert, im wichtigsten Wachstumssegment – der bezahlbaren Elektromobilität – den Anschluss an die globale Konkurrenz endgültig zu verlieren.
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