Die Entwicklung der Gebrauchtwagenpreise für Elektroautos (BEV) ist eines der dynamischsten und zugleich kritischsten Themen in der aktuellen Verkehrswende. Während die Preise für gebrauchte Verbrenner (Benziner und Diesel) sich nach der pandemiebedingten Hochpreisphase tendenziell stabilisieren oder nur leicht nachgeben, stehen gebrauchte E-Autos unter erheblichem Preisdruck.
Dies ist eine gute Nachricht für Käufer, die nun attraktive Einstiegspreise finden, aber eine Herausforderung für Leasinggeber, Flottenbetreiber und private Erstkäufer, die mit einem schnelleren Wertverlust kalkulieren müssen.
1. Die harte Realität: E-Autos verlieren schneller an Wert
Aktuelle Marktanalysen zeigen einen klaren Trend: Der Wertverlust von E-Autos im Vergleich zu Verbrennern ist nach den ersten Jahren deutlich höher.
- Restwerte unter Druck: Dreijährige E-Autos erzielen laut Marktbeobachtern oft deutlich niedrigere Restwerte (in Prozent des ursprünglichen Listenpreises) als vergleichbare Benziner oder Diesel. Bei Benzinern und Dieseln liegt der Restwert nach drei Jahren oft bei über 60 % des Listenpreises, während E-Autos zum Teil nur noch um die 50 % bis 55 % erreichen.
- Prozentualer Preisverfall: Im Jahr 2024 und 2025 sind die inserierten Preise für gebrauchte E-Autos auf großen Plattformen im Durchschnitt deutlich stärker gesunken als die für Verbrenner (teilweise über 10 % im Jahresvergleich).
Kritische Einordnung: Die Restwerte beziehen sich auf den Listenpreis – ohne die oft hohen staatlichen Förderungen und Rabatte, die beim Neuwagenkauf gewährt wurden. Rechnet man diese Prämie heraus, ist der absolute Wertverlust für den Erstkäufer noch höher.
2. Die Hauptursachen für den Preisdruck
Mehrere Faktoren wirken zusammen und drücken die Gebrauchtwagenpreise für E-Autos:
A. Technologischer Fortschritt und Veralterung
- Schnelle Entwicklung der Batterie: Neue Modelle bieten höhere Reichweiten, deutlich kürzere Ladezeiten und effizientere Batterien. Ein dreijähriges E-Auto mit 200 km realer Reichweite wirkt unattraktiv, wenn neue Modelle in der gleichen Preisklasse 400 km schaffen.
- Batteriezustand (SOH): Die Sorge der Käufer vor dem Zustand der Antriebsbatterie – dem teuersten Bauteil – ist groß. Obwohl die Degradation oft gering ist, senkt diese Unsicherheit den Wert, insbesondere da ein standardisiertes, leicht zugängliches Batteriezertifikat oft noch fehlt.
B. Angebotsschock durch Flotten- und Leasingrückläufer
- Massenrücklauf von Flottenfahrzeugen: Wie im vorherigen Abschnitt beleuchtet, wurden E-Autos aufgrund von Steueranreizen und Förderungen massiv von Firmen und Flotten (z. B. Vermietern) gekauft und geleast. Diese Fahrzeuge kehren nun nach kurzen Laufzeiten (12 bis 36 Monate) als junge Gebrauchte auf den Markt zurück.
- Überangebot trifft geringe Nachfrage: Dieses hohe Angebot an jungen Gebrauchten trifft auf eine bisher vergleichsweise geringe private Nachfrage nach E-Gebrauchtwagen. Die Händler müssen die Preise senken, um die Standzeiten zu reduzieren.
C. Die „Neu vs. Gebraucht“-Klemme
- Ende staatlicher Förderungen: Das (meist abrupte) Ende staatlicher Kaufprämien für Neuwagen kann kurzfristig den Gebrauchtwagenmarkt entlasten. Allerdings sind gleichzeitig die Rabatte von Herstellern und Händlern auf Neufahrzeuge gestiegen (siehe Punkt zur „Schönung“ der Statistik).
- Preiswettbewerb der Hersteller: Hersteller, allen voran Tesla, senken regelmäßig die Preise für Neuwagen. Jede Senkung des Neuwagenpreises zieht den Preis für das entsprechende Gebrauchtwagenmodell sofort nach unten.
3. Regionale und Modell-spezifische Unterschiede
Die Preisentwicklung ist nicht homogen, sondern variiert stark:
- Wertstabile Modelle: Kleinwagen und Kompakt-SUVs von etablierten Marken mit guter Akzeptanz und hoher Reichweite (z. B. VW ID.3/ID.4, einige Hyundai- oder Kia-Modelle) zeigen tendenziell eine bessere Wertstabilität.
- Verlierer: Ältere Modelle mit kleiner Reichweite (wie Renault Zoe oder BMW i3) und Fahrzeuge von neuen, insbesondere chinesischen Marken ohne etabliertes Händlernetz erfahren oft einen besonders hohen Wertverlust.
- Grenzüberschreitender Handel: Der grenzüberschreitende Handel mit gebrauchten E-Autos nimmt zu. Dies kann ein Zeichen dafür sein, dass Fahrzeuge in Ländern mit hohem Preisdruck (wie Deutschland nach Wegfall der Förderung) in Länder exportiert werden, in denen die E-Mobilität erst hochgefahren wird und die Nachfrage höher ist.
Fazit für den Markt
Die sinkenden Gebrauchtwagenpreise für E-Autos sind ein natürliches, wenn auch schmerzhaftes Zeichen der Marktbereinigung und der schnellen Reifung der Technologie.
- Vorteil für Käufer: Für private Interessenten, die den reinen Anschaffungspreis scheuen, bieten sich nun die besten Einstiegschancen in die Elektromobilität.
- Druck auf die Hersteller: Der hohe Wertverlust zwingt Hersteller, ihre Neupreise wettbewerbsfähiger zu gestalten und die technologische Weiterentwicklung (Reichweite, Ladegeschwindigkeit) fortzusetzen.
Die entscheidende Frage für die Zukunft bleibt, ob sich die Restwerte stabilisieren, sobald sich der Markt an die schnellere Technologie-Zyklen gewöhnt hat und eine verlässliche Infrastruktur sowie Batteriezertifizierung etabliert sind.
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