Der pragmatische Angreifer: Wer ist eigentlich Leapmotor?

Chinesische Elektroauto-Startups gibt es viele, doch Leapmotor unterscheidet sich in einem entscheidenden Punkt von der Konkurrenz: Sie kommen nicht allein. Mit dem Autogiganten Stellantis im Rücken will die Marke den deutschen Markt aufmischen – mit Kampfpreisen und etabliertem Service.

Es ist ein ungewöhnliches Bild in der Automobilbranche: Während viele chinesische Hersteller wie NIO oder XPeng versuchen, mühsam eigene Händlernetze und Markenbekanntheit in Europa aufzubauen, wählt Leapmotor die Abkürzung. Das Unternehmen aus Hangzhou ist zwar hierzulande noch ein Neuling, doch durch einen strategischen Schachzug könnte es schneller in deutschen Garagen stehen als die Konkurrenz.

Vom IT-Konzern zum Autobauer: Die Geschichte

Gegründet wurde Leapmotor (Zhejiang Leapmotor Technology) im Jahr 2015 von Zhu Jiangming. Jiangming ist kein Unbekannter in der Tech-Welt; er war zuvor Mitbegründer von Dahua Technology, einem der weltweit größten Anbieter für Videoüberwachungstechnik.

Diese Herkunft prägt die DNA von Leapmotor. Anders als klassische Autobauer, die viele Teile zukaufen, verfolgt Leapmotor eine Strategie der „Full-Stack-Eigenentwicklung“. Das bedeutet:

  • Rund 60 % bis 70 % der Fahrzeugkomponenten werden im eigenen Haus entwickelt und produziert.
  • Dazu gehören Elektromotoren, Steuergeräte und sogar die Chips für das intelligente Fahren sowie die Software-Architektur.

Dieser hohe Grad an vertikaler Integration erlaubt es dem Unternehmen, extrem schnell auf Marktveränderungen zu reagieren und – was noch wichtiger ist – die Kosten drastisch zu senken.

Der große Deal: Die Allianz mit Stellantis

Der eigentliche Wendepunkt für die globale Expansion war der Oktober 2023. Der transnationale Autokonzern Stellantis (Mutterkonzern von Opel, Peugeot, Fiat, Jeep, etc.) investierte rund 1,5 Milliarden Euro in Leapmotor und sicherte sich ca. 21 % der Anteile.

Noch entscheidender war die Gründung des Joint Ventures „Leapmotor International“. An diesem hält Stellantis 51 % der Anteile. Das Ziel: Die kostengünstige, moderne Technik aus China mit dem gewaltigen globalen Vertriebsnetz von Stellantis zu verheiraten. Carlos Tavares, CEO von Stellantis, bezeichnete Leapmotor als die Möglichkeit, schnell erschwingliche E-Mobilität nach Europa zu bringen, ohne Jahre für die eigene Entwicklung zu verlieren.

Die Modellpalette: Angriff in zwei Klassen

Leapmotor startet in Deutschland zunächst mit zwei Modellen, die strategisch die wichtigsten Segmente abdecken: den günstigen Kleinwagen und das beliebte Familien-SUV.

1. Leapmotor T03 – Der City-Zwerg

Der T03 zielt direkt auf den Dacia Spring oder den kommenden elektrischen Renault Twingo. Er ist ein klassisches A-Segment-Fahrzeug für die Stadt.

  • Konzept: Ein kleiner Fünftürer mit überraschend viel Platz im Innenraum.
  • Technische Daten: Ca. 265 km Reichweite (WLTP), was für Pendler und Pflegedienste völlig ausreicht.
  • Preis: Er startet in Deutschland bei 18.900 Euro. Damit ist er eines der günstigsten vollwertigen Elektroautos auf dem Markt.
  • Besonderheit: Es wird berichtet, dass dieses Modell bereits im polnischen Stellantis-Werk in Tychy (wo auch der Fiat 600 entsteht) montiert wird, um Strafzölle zu umgehen und Logistikwege zu verkürzen.

2. Leapmotor C10 – Das Weltauto

Der C10 ist das erste Modell, das Leapmotor explizit für den Weltmarkt konzipiert hat. Es handelt sich um ein D-Segment-SUV, das in direkter Konkurrenz zum Tesla Model Y oder VW ID.4 steht.

  • Konzept: Ein „Software-Defined Vehicle“ mit minimalistischem Design und Fokus auf Familienfreundlichkeit und Komfort.
  • Technische Daten: 420 km Reichweite (WLTP), basierend auf der modernen „Leap 3.0“ Architektur (Cell-to-Chassis Technologie).
  • Preis: Startpreis liegt bei 36.400 Euro. Ein Kampfpreis im Vergleich zur deutschen Konkurrenz, die oft erst jenseits der 45.000 Euro beginnt.

Der entscheidende Vorteil: Das Händlernetz

Das größte Hindernis für neue chinesische Marken ist oft das Vertrauen der Kunden: „Wo lasse ich das Auto warten? Wo kriege ich Ersatzteile? Was, wenn die Marke in zwei Jahren pleite ist?“

Hier spielt Leapmotor seinen Joker aus. Durch die Stellantis-Partnerschaft nutzt Leapmotor bestehende Händlerstrukturen.

  • Verkaufsstart: Bereits Ende 2024 startete der Verkauf an rund 350 Standorten in Europa.
  • In Deutschland: Leapmotor-Fahrzeuge stehen in den Showrooms neben Opel, Peugeot oder Jeep.
  • Service: Wartung und Reparatur erfolgen in den Werkstätten der Stellantis-Marken. Das sorgt für eine sofortige flächendeckende Versorgung mit Ersatzteilen und Service-Personal, ein Luxus, den sich Marken wie BYD oder NIO erst teuer erkaufen müssen.

Zukunftsaussichten: Was kommt als Nächstes?

Leapmotor plant, jedes Jahr mindestens ein neues Modell auf den Markt zu bringen. Auf dem Pariser Autosalon 2024 wurde bereits der Leapmotor B10 angeteasert – ein kompaktes C-Segment-SUV, das preislich und größentechnisch zwischen dem T03 und dem C10 liegen wird. Dies ist das „Butter-und-Brot“-Segment in Europa (Golf-Klasse), wo die größten Absatzzahlen warten.

Fazit: Leapmotor ist mehr als nur eine weitere chinesische Marke. Durch die Symbiose aus chinesischem Entwicklungstempo und europäischer Vertriebsmacht (Stellantis) könnte der Hersteller zur ersten wirklichen Massenmarkt-Alternative aus Fernost werden, die auch konservative Käufer überzeugt. Während andere noch Showrooms bauen, verkauft Leapmotor bereits Autos.

MerkmalDetail
Gründung2015 in Hangzhou, China
CEO / GründerZhu Jiangming
PartnerStellantis (Joint Venture: Leapmotor International)
USPsHohe Eigenfertigungstiefe, Nutzung des Stellantis-Netzes
Aktuelle Modelle (DE)T03 (Kleinwagen), C10 (SUV)
HändlerVertrieb über bestehende Stellantis-Partner (Opel, Peugeot, etc.)

Hier ist der detaillierte Technik-Vergleich. Wir stellen die Leapmotor-Modelle ihren direktesten Konkurrenten gegenüber, um zu sehen, wo die Stärken und Schwächen liegen.

Der Technik-Check: Leapmotor im direkten Vergleich

In der Automobilbranche zählt am Ende nicht die Marketing-Broschüre, sondern das „Hard Spec“-Duell auf der Straße. Hier treten der Leapmotor T03 gegen den König der Billig-Stromer (Dacia Spring) und der Leapmotor C10 gegen den Weltbestseller (Tesla Model Y) an.

1. Das City-Duell: Leapmotor T03 vs. Dacia Spring (2024)

Der Dacia Spring war lange konkurrenzlos, wenn es um ein E-Auto unter 20.000 Euro ging. Der Leapmotor T03 greift genau hier an, bietet aber technisch deutlich „mehr Auto“ fürs Geld.

FeatureLeapmotor T03Dacia Spring (65 Extreme)
Preis (ca.)ab 18.900 €ab 18.900 € (45 PS ab 16.900 €)
Batterie (Netto)37,3 kWh26,8 kWh
Reichweite (WLTP)265 km225 km
Leistung70 kW (95 PS)48 kW (65 PS)
Drehmoment158 Nm113 Nm
Laden (AC / DC)6,6 kW / 48 kW3,7 kW / 30 kW
Länge3,62 Meter3,73 Meter
Sitzplätze4 (aber 5 Türen)4 (5 Türen)

Die Analyse:

  • Antrieb: Hier deklassiert der T03 den Dacia. Mit 95 PS ist der Leapmotor spritzig und auch auf der Landstraße souverän. Der Dacia (selbst in der stärkeren 65-PS-Version) wirkt ab 80 km/h zäh.
  • Batterie & Laden: Der T03 hat eine rund 10 kWh größere Batterie. Das ist in dieser Klasse eine Welt. Während der Dacia im Winter oft unter 150 km Reichweite fällt, bietet der T03 mehr Puffer. Auch die Ladeleistung (DC) ist beim Leapmotor höher, wenn auch bei beiden nicht rasant.
  • Qualitätsanmutung: Der Dacia ist ein Budget-Auto, das merkt man an dünnen Türen und Hartplastik. Der T03 wirkt solider verarbeitet, bietet ein Glasdach (oft serienmäßig) und modernere Assistenzsysteme (Level 2).

Fazit: Der Leapmotor T03 ist für den gleichen Preis das technisch überlegene Fahrzeug. Der Dacia punktet nur noch mit seinem geringeren Gewicht und der etablierten Optik des Facelifts.

2. Das Mittelklasse-Duell: Leapmotor C10 vs. Tesla Model Y (RWD)

Das Tesla Model Y ist das meistverkaufte Auto der Welt. Der Leapmotor C10 versucht nicht, Tesla bei der Leistung zu schlagen, sondern beim Komfort und Preis-Leistungs-Verhältnis.

FeatureLeapmotor C10Tesla Model Y (Standard RWD)
Preis (ca.)36.400 €44.990 € (schwankend)
Batterie (Typ)69,9 kWh (LFP)ca. 60 kWh (LFP)
Reichweite (WLTP)420 km455 km
Leistung160 kW (218 PS)ca. 220 kW (299 PS)
0 – 100 km/h7,3 Sek.6,9 Sek.
Ladeleistung (DC)max. 84 kW (30-80% in 30 Min)max. 170 kW
Infotainment14,6 Zoll (Snapdragon 8295)15 Zoll (AMD Ryzen)
Länge4,74 Meter4,75 Meter

Die Analyse:

  • Effizienz & Laden: Das ist der wunde Punkt des C10. Tesla ist der Effizienz-König. Obwohl der Leapmotor eine größere Batterie hat (fast 10 kWh mehr!), kommt er nach WLTP weniger weit als der Tesla. Das zeigt, dass Teslas Motoren und Aerodynamik effizienter sind. Zudem lädt der Tesla am Supercharger fast doppelt so schnell. Für Langstreckenfahrer ist der Tesla klar besser.
  • Komfort & Fahrwerk: Hier punktet Leapmotor. Der C10 ist bewusst weich und komfortabel abgestimmt („Sofa auf Rädern“), während das Model Y oft als hölzern und straff kritisiert wird. Der C10 bietet zudem extrem viel Platz im Fond und sehr bequeme Sitze.
  • Software: Leapmotor nutzt den neuesten Qualcomm Snapdragon 8295 Chip. Das System ist rasend schnell und flüssig, genau wie bei Tesla. Allerdings ist Teslas Routenplanung mit Ladestopps immer noch der Goldstandard.
  • Preis: Der C10 ist ca. 8.500 Euro günstiger. Das ist ein gewaltiges Argument für Familien, die das Auto primär für den Alltag und nur 1-2 Mal im Jahr für den Urlaub nutzen.

Fazit: Wer viel Autobahn fährt und Wert auf schnelles Laden legt, muss zum Tesla (oder VW ID.4) greifen. Wer ein geräumiges, modernes Familien-SUV für Stadt und Land sucht und fast 9.000 Euro sparen will, bekommt mit dem C10 ein unschlagbares Angebot.

Zusammenfassung:

Wenn man diese technischen Daten in den Kontext setzt, ergibt sich folgendes Bild:

  1. Leapmotor T03: Ein „No-Brainer“ im Vergleich zum Dacia Spring. Er bietet mehr Auto, mehr Akku und mehr Leistung für fast das gleiche Geld. Hier muss sich die europäische Konkurrenz warm anziehen.
  2. Leapmotor C10: Ein „Preis-Leistungs-Sieger“. Er schlägt Tesla nicht technologisch (Laden/Effizienz), aber er bietet 90 % der Tesla-Erfahrung für 80 % des Preises – gepaart mit einem besseren Fahrkomfort und dem Händlernetz von Stellantis im Rücken.

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