Eine kritische Betrachtung der E-Auto-Zulassungszahlen
Die offiziellen Statistiken zeichnen oft ein Bild des ungebremsten Wachstums: Monat für Monat vermelden die Behörden steigende Neuzulassungen von batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV). Doch abseits der euphorischen Schlagzeilen mehren sich die kritischen Stimmen aus dem Kfz-Gewerbe und unter Analysten. Die zentrale Frage lautet: Wie viele dieser zugelassenen E-Autos finden tatsächlich einen direkten Endkunden – privat oder gewerblich – und wie viele sind „taktische“ Zulassungen, die das wahre Bild des Marktes verzerren?
Die Kritik: Künstlich erzeugtes Wachstum durch Eigenzulassungen
Der Kern der Kritik richtet sich auf die sogenannten Eigenzulassungen durch Hersteller und Händler. Diese Fahrzeuge werden kurzzeitig auf das Unternehmen zugelassen, erscheinen in der offiziellen Statistik als Neuwagen, werden aber de facto noch nicht vom Endkunden genutzt. Sie dienen als:
- Vorführwagen und Poolfahrzeuge für Händler und Mitarbeiter.
- Tageszulassungen, um kurzfristig attraktive Rabatte für Kunden anbieten zu können.
- Taktisches Mittel, um die von der EU vorgeschriebenen CO2-Flottengrenzwerte einzuhalten und so hohe Strafzahlungen zu vermeiden. Da die Einhaltung quartalsweise oder jährlich gemessen wird, kann eine hohe Zahl von Eigenzulassungen am Ende des Stichtags die Bilanz retten.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut Berichten des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) und Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) nimmt der Anteil dieser Eigenzulassungen signifikant zu. Im Jahr 2025 war beinahe jedes vierte neu zugelassene E-Auto eine Eigenzulassung der Hersteller oder Händler – vor zwei Jahren war es nur jeder Sechste. Das reale Wachstum der Nachfrage wird dadurch stark überzeichnet.
Kritische Bewertung: Obwohl Eigenzulassungen später oft mit hohen Rabatten als „junge Gebrauchte“ oder Tageszulassungen auf den Markt kommen und so einen wichtigen Beitrag zur Marktdurchdringung leisten, kaschieren sie kurzfristig eine Flaute in der tatsächlichen Kaufbereitschaft der Endverbraucher. Die offizielle Statistik wird zu einem Instrument der Zielerreichung, nicht immer zu einem reinen Spiegel der Marktrealität.
Wer kauft tatsächlich E-Autos? Gewerbe vs. Privat
Die Zulassungszahlen zeigen eine klare Schieflage zwischen gewerblichen und privaten Käufern.
Das Übergewicht des Gewerbes
Der E-Auto-Markt wird weiterhin maßgeblich von gewerblichen Zulassungen getragen.
- Anteil am Gesamtmarkt: Generell entfällt ein Großteil aller Pkw-Neuzulassungen (aller Antriebsarten) auf gewerbliche Halter (oftmals über 60%).
- E-Auto-Fokus: Bei reinen E-Autos ist der Anteil des Gewerbes traditionell noch höher.
- Die Gründe:
- Steuerliche Vorteile: Die sogenannte „Superabschreibung“ und die geringere Dienstwagenbesteuerung (0,25% des Listenpreises bei E-Autos im Vergleich zu 1% bei Verbrennern) machen E-Autos für Firmen und Flottenbetreiber extrem attraktiv.
- Förderungen: Viele Förderinstrumente wirken primär im Bereich hochpreisiger Dienstwagen, da sie an das Unternehmen und nicht direkt an den privaten Käufer gebunden sind.
Die Zurückhaltung der Privaten
Die private Nachfrage nach E-Autos ist hingegen deutlich zurückgegangen, insbesondere nach dem Ende des staatlichen „Umweltbonus“ für Privatpersonen:
- Rückläufige Zahlen: Im Jahr 2024 (im Vergleich zum Vorjahr) sank die Zahl privater BEV-Neuzulassungen deutlich.
- Gründe für die Kaufzurückhaltung:
- Hohe Anschaffungskosten: Obwohl die Preise sinken, sind E-Autos in der Anschaffung oft noch teurer als vergleichbare Verbrenner.
- Ladeinfrastruktur: Die wahrgenommene Unsicherheit über die Ladeinfrastruktur (Verfügbarkeit, Ladezeiten) bleibt ein Hemmschuh.
- Gebrauchtwagenmarkt: Die Sorge vor dem Wertverlust im Vergleich zu Verbrennern ist immer noch präsent.
| Segment | Anteil an BEV-Neuzulassungen (ca.) | Treibende Kräfte |
| Gewerbe | 60% – 70% | Steuerliche Anreize, CO2-Flottenziele, Dienstwagenprivileg |
| Privat | 30% – 40% | Umweltbewusstsein, staatliche Prämien (wenn verfügbar), gesunkene Batteriekosten |
Fazit: Was das Wachstum wirklich bedeutet
Die journalistische Pflicht gebietet es, die amtlichen Zulassungszahlen nicht unreflektiert zu übernehmen, sondern die dahinterliegenden Mechanismen zu beleuchten.
- Schönung der Statistik: Ja, die Zahlen werden durch Eigenzulassungen von Herstellern und Händlern „geschönt“. Das ist ein taktisches Instrument, um regulatorische und marktwirtschaftliche Ziele zu erreichen.
- Verlagerte Nachfrage: Das E-Auto-Wachstum ist primär ein gewerbliches und politisch induziertes Phänomen, das stark von steuerlichen Begünstigungen und CO2-Flottenzielen abhängt.
- Herausforderung Privatmarkt: Um eine echte und nachhaltige Transformation zu gewährleisten, muss der private Markt besser adressiert werden. Dies erfordert günstigere Modelle, stabilere Strompreise und einen massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur, um die Kaufzurückhaltung bei Privatkunden aufzulösen.
Das Wachstum ist real, aber die Struktur ist fragil. Es ist nicht allein die pure Kundennachfrage, die die Zulassungszahlen in die Höhe treibt, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus Unternehmensstrategie, staatlicher Förderung und EU-Regulierung. Erst wenn die private Nachfrage ohne künstliche Anreize signifikant steigt, kann von einem stabilen Fundament für die Elektromobilität in Deutschland gesprochen werden.
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